Von Albert Lortzing sind insgesamt 18 Opern, Singspiele, Lieder, Chor- und Instrumentalwerke überliefert. Seine Frau Rosina aus Bietigheim glänzte unter anderem in ihrer Rolle als Berta von Bruneck in „Wilhelm Tell“. Von der Frau des Komponisten gibt es kein Bild.
Vor 170 Jahren stand der Komponist Albert Lortzing mit den Opern „Zar und Zimmermann“ und „Der Wildschütz“ im Zenit seines Erfolges. Verheiratet war er mit Rosina Ahles aus Bietigheim. Dem Ehepaar und seinen Kindern blieb trotz der unermüdlichen Arbeit Lortzings für die Bühnen von Leipzig, Wien und Berlin ständige Geldnot nicht erspart. Eine Tragödie, an deren Ende der frühe Tod des Paares stand.
Als Albert Lortzing ausgebrannt, verbittert und verarmt am 21. Januar 1851 im Alter von gerade einmal 49 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls in Berlin starb, verweigerte seine Ehefrau Rosina den Gang zum Leichenbegräbnis. Dafür waren andere auf den II. Sophien-Friedhof in Berlin-Mitte gekommen. Die Komponisten Giacomo Meyerbeer und Carl Friedrich Rungenhagen, Musikdirektor Heinrich Ludwig Egmont Dorn, der Pianist Karl Gottfried Wilhelm Taubert sowie die Sänger und Musiker der Hofkapelle erwiesen dem Librettisten, Schauspieler, Sänger, Komponisten und Dirigent die letzte Ehre.
„Ich blieb zu Hause, es hätte mich zu sehr erschüttert. Nun ruht er im kühlen Schoß der Erde, von des Lebens Sorgen erlöst. Wir trauern und weinen ewig um ihn“, schrieb Rosina Lortzing voller Abschiedsschmerz an Christine Kupfer nach Stuttgart, die Tochter ihrer Schwester Katharine.
Was musste diese Rosina Regina Ahles nicht alles in ihrem Leben ertragen.
Geboren wurde das Mädchen am 5. Dezember 1799 in Bietigheim als jüngstes Kind von Johannes Ahles und dessen zweiter Frau Regine Dorothea, geborene Kühlbrey. Ahles war Weingärtner und Totengräber, die Familie lebte in der Metterstraße 5. Rosinas Vater stirbt 1804, die Mutter 1807, so wird das Mädchen und ihr älterer Bruder Jakob Christoph zu Vollwaisen.
Wie das junge Mädchen zum Theater kam und wer ihr Interesse für die Schauspielerei geweckt hat, verschweigen die historischen Quellen. Gleichwohl sollte das Theater, das Spiel auf der Bühne, der Applaus des Publikums, Erfolg und Misserfolg zu ihrer Welt werden.
Wie ein Gegenentwurf zu ihrem eigenen Leben kommt am 23. Oktober 1801 in Berlin Albert Gustav Lortzing als Sohn von Johann Gottlob Lortzing und Sophie Charlotte, eine geborene Seidel, zu Welt. Schon früh zeigte Albert sein musikalisches Talent und wird durch die Eltern gefördert. Dem Vater kommt in Bezug auf den Lebensweg seines Sohnes eine Schlüsselrolle zu.
Im Berlin betrieb er als Selbstständiger zunächst mit Erfolg Lederhandel. Ende Oktober 1806 stehen französische Truppen vor der preußischen Hauptstadt. Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise flüchten mit dem Hofstaat nach Memel, ebenso verlassen Beamte und Militärs die Stadt. Johann Lortzing werden nach und nach die geschäftlichen Grundlagen entzogen, so muss er sein Geschäft schließlich aufgeben. Für den jungen Albert ist dies zwar das Ende eines geregelten Lebens, aus dem Geschäftsverlust machen die Lortzings allerdings eine Tugend. Ab 1812 wird ihre Leidenschaft für das Theaterspielen – notgedrungen – zum Beruf, auf der Suche nach Engagements zieht die Familie durch ganz Deutschland.
Von Anfang an drücken die kleine Truppe große Geldsorgen.
Johann Lortzing tritt 1812 im Breslauer Stadttheater auf, im gleichen Jahr verlässt er das Ensemble aber schon wieder. In den folgenden Jahren gibt es kurzfristige Anstellungen am Stadttheater in Coburg, in Bamberg, Straßburg, Freiburg und Baden-Baden. Die Gagen so schmal, dass es gerade reicht, nicht verhungern zu müssen. Selbst in diesen Wanderjahren unterließen es die Eltern nicht, die Ausbildung ihres Sohnes weiter voranzutreiben und Albert zeigte sich voller Fleiß und Eifer.
Er studierte die Werke von Musiktheoretikern und erweiterte seine praktischen Kenntnisse mit anderen Musikern. Mit großer Vorliebe spielte er Violine sowie Cello und wirkte gelegentlich auch im Orchester mit. Seine Talente nutzte er durchaus für die Familie. Auf der Bühne spielte er Kinderrollen und zu Hause schrieb er Noten, um mit solch kleinen Einnahmen die Eltern zu unterstützen.
Erst 1817 wurden die Lortzings in Düsseldorf länger engagiert. Josef Derossi, ein österreichischer Schauspieler, war der erste Direktor des Düsseldorfer Schauspielhauses.
Verbrieft ist der erste gemeinsame Auftritt von Rosina Ahles mit den Lortzings am 14. November 1818. Spielort war das 1751 erbaute Aachener Komödienhaus am Katschenhof.
Albert Lortzing schrieb unter anderem die Oper „Der Wildschütz“. Links das Wohnhaus der Lortzings in Leipzig, rechts das 1751 erbaute Aachener Komödienhaus, wo beide zum ersten Mal auf der Bühne standen.
Grund für den Auftritt im November war wohl der Monarchenkongress, die erste Zusammenkunft europäischer Herrscher und Fürsten unter Friedensbedingungen und nicht als unmittelbares Ergebnis eines Krieges. Die Unterzeichner einer Deklaration verpflichteten sich, die seit 1815 in Europa bestehenden Grenzen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu garantieren. Derossi zeigte sich mit dem 1804 von Friedrich von Schiller fertiggestellten Bühnenstück „Wilhelm Tell“ als überaus wendiger und tüchtiger Geschäftsmann, da der Kongress bis zum 21. November andauerte, war mit Publikum zu rechnen.
Für Rosina und Albert war der Aachner Aufritt 1818 Ausgangspunkt für eine stille Romanze, der allerdings erst viel später die Verheiratung im Jahre 1824 folgen sollte. Da Rosina zu diesem Zeitpunkt bereits zum Derossi-Unternehmen zählte, ist anzunehmen, dass sie in ihren Rollen schon zuvor auf der Bühne glänzte und das Publikum beeindruckte.
„Der Zauber ihrer Unschuld soll die Zuschauer oft zu dichterischen Ergüssen veranlasst haben“, ist über die schauspielerische Strahlkraft Rosina Ahles‘ in Hans Hoffmanns Biografie „Albert Lortzing“ nachzulesen.
Diese bezaubernde junge Dame, auf der Bühne bereits im Fach der Naiven und Liebhaberinnen bewandert, wurde mit Beifall und Anhänglichkeit bedacht. Sie wird dem jungen Lortzing gefallen haben und auch anders herum gab es Zutraulichkeiten und ein immer stärkeres gegenseitiges Verlangen. Auf Bildern ist Albert Lortzing als großer schneidiger Mann mit dunklen Naturlocken zu sehen, ein Scherenschnitt zeigt im Profil liebenswerte und weiche Gesichtszüge. Hübsche dunkle Augen, sein gutmütiges Wesen, aber vor allem die Glut des jugendlichen Liebhabers in sich – eine Rolle, die er auf der Bühne immer wieder spielte – machten ihn zum Liebling des weiblichen Publikums.
Nach der Vermählung, und hier zeigte sich erneut der Familiensinn der Lortzings, nahm die beiden Rosinas unverheiratete Schwester Katharine Kupfer und deren Tochter Christine auf. Beim Bruder Jakob in Bietigheim war kein Unterkommen möglich, hatte dieser doch mit seiner kinderreichen Familie schon genug zu tun. Das Angebot an Katharine zur Aufnahme hatte unliebsame Auswirkungen auf das Eheleben der Lortzings. Geordnete und vor allem geregelte Lebensverhältnisse waren in dem Haushalt angesichts der Schauspielerei mit den ständigen Wechseln nicht möglich.
Fritz Wunderlich & Helga Hildebrand singen aus Lortzings „Zar und Zimmermann“: „Lebe wohl, mein flandrisch“
Anfang 1826 folgen Auftritt um Auftritt: Zum Jahresbeginn in Münster, vier Monate in Osnabrück und von Mitte des Jahres an in Pyrmont. Lortzing wirkt in über 90 musikalischen Werken mit, Rosina steht in diesem Jahr mehr als 120 Mal auf der Bühne. Von beiden wurden große Wandlungskünste gefordert, neben dem Applaus des Publikums sammelten beide viel Erfahrung. Die Entlohnung für all diese Arbeit blieb allerdings bescheiden. Die 100 Taler für beide im Monat würden den „Kohl nicht fett“ machen, man brauche schon höllisch viel Geld, besonders wenn eine Familie aus mehr als zwei Personen bestehe, klagte Lortzing seinen Eltern in einem Brief.
Dazu stellt sich Nachwuchs ein, wobei Rosina früh die Schmerzen des Verlustes lernen musste. Zur Welt kam Berta, das Kind wurde keine zwei Jahre alt. Berta folgte im Februar 1826 Albertina, die nur noch Berta genannt wurde. Auch in ihren späteren Leben verlor Rosina Lortzing immer wieder Kinder. Caroline wurde im April 1827 geboren und starb im August 1828, Julie lebte von 1829 bis 1833, von den Zwillingen Heinrich und Theodor, geboren im Januar 1832, stirbt Heinrich am 27. Januar 1832 und Marie waren von 1841 bis 1842 auch nur wenige Lebensmonate vergönnt.
Am Leipziger Stadttheater verbrachte Albert Lortzing von 1833 bis 1845 seine erfolgreichste und produktivste Zeit als Komponist und Kapellmeister. Seine Oper „Zar und Zimmermann“, worin es um eine bornierte Obrigkeit geht, wurde im Dezember 1837 in Leipzig uraufgeführt. Lortzing komponierte nicht nur die Musik, sondern war auch sein eigener Librettist und sang selbst den Peter Iwanow. Erst die Aufführung in Berlin brachte zwei Jahre später einen umjubelten Erfolg und den Durchbruch.
In den folgenden Jahren entstanden zahlreiche Kompositionen, so unter anderem die Festoper „Hans Sachs“ sowie die komische Oper „Der Wildschütz“. 1844 wurde Lortzing schließlich einer der Kapellmeister am Leipziger Stadttheater – er vor dem Orchester, das Glück schien vollkommen. Tatsächlich war dieses Glück nur von kurzer Dauer. Der neue „Geschäftsführer“ des Theaters sah sich Sparzwängen ausgesetzt und kündigte Lortzing. So stand der Komponist erneut ohne Engagements auf der Straße, der Familie blieben lediglich die dürren Einnahmen aus den Opernerträgen. Ein Fehler im System: Ein Urheberrecht existierte nicht, was zu regelmäßigen Einnahmen geführt hätte, und die Opern wurden von den Theaterbetrieben, meist vor vollen Häusern, gespielt, bis sie finanziell nichts mehr brachten.
Am Tiefstand angekommen
Lortzing war an einem Tiefstand seines Lebens angekommen. Seiner Frau, die in Leipzig geblieben war und der er regelmäßig kleine Beträge schickt, berichtete er in vielen Briefen über den Theaterbetrieb in der Stadt, über die Mühen, seine Kompositionen an den Mann zu bringen und den ständigen Hunger.
Albert und Rosina Lortzing, noch keine 50 Jahre alt, waren ausgezehrt, der Arbeit und des Lebens müde.
Die Nacht seines Todes zum 21. Januar 1851 verbrachte Albert bis zum Morgen in Ruhe. „Ich war schon im Ankleiden begriffen, als ich ihn mit einem Male schmerzlich stöhnen hörte“, berichtete Rosina per Brief Christine. „Ich wandte mich nach ihm um, fühlte ihn an – kalter Schweiß stand auf seinem Antlitz“. Nachdem der Arzt gerufen worden war, gab Lortzing noch einige Laute von sich und schlug die Augen auf.
Albert Lortzing, der Begründer der komischen Spieloper in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, starb am Morgen um halb acht. Von ihm sind insgesamt 18 Opern, Singspiele, Lieder, Chor- und Instrumentalwerke überliefert.
Rosina Lortzing lebte von Tantiemen-Einnahmen und kleinen Honoraren. Als sie am 13. Juni 1854 starb, hatte sie ihren Mann nur um gut drei Jahre überlebt.
Im Jahre 1951 feierte man in Bietigheim den 100. Todestag des Opernkomponisten Albert Lortzing. Erinnert hat man sich dabei auch an seine Frau Rosina Regina Ahles, die früh verwaiste Weingärtnerstochter.
Verwandte wussten noch lebhaft von ihrer Anhänglichkeit an Bietigheim zu berichten.