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Die Provinz Ogliastra auf Sardinien: Karibik-Flair im Mittelmeer

Sardiniens Osten bietet atemberaubende Natur im Überfluss. Im Zentrum die Provinz Ogliastra, ein Landstrich für Individualisten und Genießer. Ein Reisebericht.

Auf der rund 50 Kilometer langen und kurvenreichen Strecke von Dorgali nach Baunei muss man vorsichtig sein. Auf dem einsamsten Stück der SS 125 trotten wilde Bergziegen gemächlich über die Straße, Porschefahrer sind in den Kehren viel zu schnell unterwegs und große Motorradgruppen touren durch die kleinen Bergdörfer, die auf rund 1000 Metern Höhe liegen. Seitenkräfte und Schräglagen – das Kurvenkarussell scheint ohne Ende zu sein.

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Blick von der SS 125 auf der Fahrt nach Baunei auf rund 1000 Metern Höhe.

Schon die Fahrt in die Küstenebene der Ogliastra ist abenteuerlich. Durch die karstigen Berge des Nationalparks, ein Paradies für Wanderer, geht es hinab in eine weite fruchtbare Ebene hin zum Tyrrhenischen Meer. Das hellblaue Meer ist gesäumt von einem Band endloser Strände, die schon mehrfach wegen ihrer Sauberkeit ausgezeichnet wurden. Das Küstengebiet zwischen Arbatax bis zum Capo Ferrato bietet auf weiten Strecken Karbibik-Flair. Roberta und Pier Paolo Pisana betreiben an einem dieser Traumstrände, dem Lido Orri, die „Chioso Bar“. Dort werden keine billigen Snacks angeboten, auf der Speisekarte stehen Nudelgerichte, pikant gewürzte Steaks und große Salatplatten. Plus Weine aus der Region für Genießer. Der helle Sand mündet ins Meer, das hier noch im September 25 Grad warm ist. Hinter einer bizarren Steinformation, die der beständige Wellenschlag geformt hat, verbergen sich die „Fünf Badewannen“. Kleine Buchten, die sich die Familien aus den umliegenden Ortschaften untereinander aufgeteilt haben. Nur 15 Kilometer weiter zieht sich der helle und feinkörnige Sandstrand am Torri di Bari entlang. Hier verlaufen sich selbst im Hochsommer die Badegäste, das Wasser auch hier klar wie Glas.

Während die Betreiber der Strandlokale saisonabhängig sind, stärken die Kleinbetriebe in der Provinz Ogliastra den Mittelstand. Dazu zählt der Käsemacher Davide Chiai, der in Bari Sardo einen gut gehenden Betrieb mit zehn Angestellten unterhält. Am Tag werden 25 Doppelzentner Käse produziert – alles in Handarbeit. Wenn der Milch der Lab zugefügt wird, kommt es zum „Bruch“. Dann wird dem Käse die Flüssigkeit entzogen. Aus der Molke, versetzt mit Zitronensäure, wird Quark, der oft schon am Abend ausverkauft ist. Chiai zeigt stolz aus dem Fenster auf seine weiten Felder. Hier wächst das Futter für seine Kühe, die die Milch geben. So wird die Kette bis zum Endprodukt Käse kontrolliert, Düngemittel und Kraftfutter kommen nicht zum Einsatz, so Davide Chiai. Und der Erfolg gibt dem Sarden recht. Ein Großteil seiner Produktion geht in den Export.

Hoch über Lanusei hat Bäckermeister Simone Ferreli den 1954 vom Vater gegründeten Betrieb zu einem lukrativen Geschäft ausgebaut. Der Verkauf seines Brotes hat Ferreli längst eingestellt, den Vertrieb der Backwaren nach Italien, England, USA und Deutschland haben Exporteure übernommen. Mit 20 Angestellten produziert er jede Nacht zehn Doppelzentner Brot, tagsüber werden feine knusprige Fladenquadrate gebacken, die in der Ogliastra vor jedem Essen als Appetitanreger auf den Tisch kommen. Simone Ferreli möchte schnell erweitern, um auch flächenmäßig mit den Aufschwung seines Betriebes gleichzuziehen. Ebenfalls in Lanusei hat Roberto Ligas ein Metzgerei, die unter der Woche bis 20 Uhr geöffnet hat. Seine echte Vorliebe gilt allerdings dem Weinbau. Auf einer Anhöhe der Stadt ist sein Weinberg und seine gut ausgerüstete Kellerei. Die Gäste auf dem Weingut werden ein einer schönen Weinstube bewirtet.

In Lanusei, dem alten Hauptort der Provinz Ogliastra, herrscht reger Betrieb. Die rund 7000 Einwohner zählenden Stadt ist Gerichtssitz mit Gefängnis und es gibt ein großes Krankenhaus. Luigi Pizzin hat in Lanusei mit der Sardin Giuliana Stochino eines der wenigen Hotels in der Stadt übernommen. Vorher betrieb des Paar in Bietigheim-Bissingen rund acht Jahre ein Restaurant, das mit Vorliebe von den Honoratioren der Stadt frequentiert wurde. Der Wechsel in die Ogliastra war für beide ein Heranrücken an die Heimat, bereut haben sie es nicht. Im „Marie Claire“ mieten sich Ärzte und Geschäftsleute ein, Tagesgäste, die gerne verlängern, Motorradfahrer auf der Durchreise und Sonnenhungrige aus aller Herren Länder. Man müsse dem Gast, solange er im Hause ist, ein Freund sein, sagt Pizzin. Diese Einstellung kommt an. Täglich gehen Buchungen ein und die Bewertungen des Hotels auf einschlägigen Webseiten sind, im Vergleich zu den Noten des Vorpächters, sprunghaft angestiegen.

Lanusei ist ein strategisch günstig gelegener Ausgangspunkt, um zu den Sehenswürdigkeiten der Ogliastra zu gelangen. Einer der ungewöhnlichsten Orte ist die verlassene Geisterstadt Gairo. Nach starken Regenfällen kam es zu einem Erdrutsch und zwang die Bewohner ihr Dorf zu verlassen. Zurück blieben Ruinen, die immer noch einen Einblick in die sardische Bauweise zulassen. Ein frühgeschichtlicher Platz mit einer der landestypischen Siedlungen der Nuraghier befindet sich in Sceri bei Ilbono, keine 20 Kilometer vom Meer entfernt. Das rätselhafte Volk aus der frühen Eiszeit hat hohe steinernen Turmbauten hinterlassen, die der Verteidigung als auch kultischen Zwecken dienten. Am Ortsausgang weist ein Schild zur archäologischen Anlage. Das ansteigende Gelände führt zu einem Turm hinauf. Im Inneren geht es über eine unregelmäßig zusammengefügte Steintreppe auf das Turmplateau, von wo man eine atemberaubende Aussicht über die Felder, Hänge und Bergmassive hat. Für den Auf- wie den Abstieg dieser Türme sollte man, wie für vieles in der bergreichen Welt der Ogliastra, schwindelfrei sein.

REISENOTIZEN

Nach dem Schaf fragen

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Kann passieren, eine Schafherde auf der Straße. Und oft tauchen sie auch in der Küche auf.

Die Küche der Oglistra ist vielfältig: Pizzas gehören in vielen kleinen Restaurants zum Standard, weil der Lieferservice ein finanzielles Standbein ist. Außerdem stehen Nudelgerichte, Fisch und die traditionelle sardische Küche auf der Speisekarte. Oft hat der Gastwirt auch gebratenes Schaf oder Lamm im Angebot, das nicht auf der Karte steht. Deshalb: Einfach nachfragen.

Zu Robinsonbuchten

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Viele Buchten sind nur mit dem Boot zu erreichen.

Eine Bootsfahrt zu den einsamen Buchten, Grotten und Höhlen zum Golfo di Orosei muss sein. Ausgangspunkt ist die Marina von Arbatax, Karten gibt an der Hafenstraße. Zu empfehlen ist eine kleinere Motorjacht, die dichter an die hoch aufragenden Felswände herankommt, als ein Touristenboot. Und wer will, kann mit dem Schlauchboot in die Grotten fahren. Allerdings nicht ganz billig: Ein Erwachsener zahlt bis zu 60 Euro, inklusive Getränke und Mittagessen.

Immer höher hinauf

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Blick auf die Dächer von Baunei.

Hohe Gebirgsmassive prägen die sardische Provinz Ogliastra, die von den Stränden des Tyrrhenischen Meeres sehr schnell erreichbar sind. Praktisch kann man 1000 Höhenmeter mit dem Auto in weniger als 30 Minuten erreichen. Vom Bergdorf Baunei aus geht es über eine zwölf Kilometer lange Straße dann noch weiter zur Hochebene von Su Golgo. Der Blick von den Felswänden hinab in die Ebene ist überwältigend.

Vorsicht Abzocke

Die Hafenstadt Arbatax war früher für ihren Tabak bekannt. Heute locken die roten Porphyrklippen, ein Naturwunder der Ogliastra, die Touristen an.

Vorsicht ist beim Fest „Borgo Marinaro“ geboten. Während Händler an der Hafenstraße Süßigkeiten und allerlei Krimskrams anbieten, gibt es auf der Freifläche vor den Klippen Wildschwein und Wurst vom Grill. Eine Aluschale für überteuerte 17 Euro. Pro Person (!).

Vorsicht Änderung

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Der „grüne Zug“ fährt durch die Ogliastra.

Die Fahrt mit dem „Trenino Verde“, der grünen Schmalspurbahn, gilt als eine der schönsten Arten, die Bergwelt der Ogliastra zu erkunden. Die Bahnhöfe auf der Strecke Mandas-Arbatax liegen oft weitab der Bergdörfer und sind Ausgangspunkt für Radler und Outdooraktivisten. Allerdings sollte man sich vorher über die Abfahrtszeiten informieren, die sind auch im Internet falsch angegeben.

Die schönsten Strände in der sardischen Provinz Ogliastra

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 10. Juli 2015 von in Hirnfutter und getaggt mit , , , , , , , , , .

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