Vor 30 Jahren änderte Gary Moore seinen Stil und spielte vorrangig Bluesrock sowie Blues anstatt Hardrock. Gleich zwei Plattenfirmen erinnern an den 2011 verstorbenen Nordiren: Provogue Records veröffentlichte eine Doppel-LP und earMusic brachte ein opulentes Box-Set mit acht vielfarbigen Scheiben heraus.
Wenn es einen Gitarristen gibt, der nach Rock (Thin Lizzy) und Jazzrock (Colosseum II) eine eigene musikalische Identität im Blues entwickelt hat, dann ist es der 2011 verstorbene Gary Moore. Sein einsetzender Erfolg als Solokünstler in den 1990er Jahren zeigte, dass die Briten nicht nur Eric Clapton verehrten, sondern auch einen Gitarristen, der sich einen eigenen Klangraum schuf, dessen Echo man bis heute hören kann.
Die Box aus der Treasures-Reihe von earMusic bietet vier Doppelalben eines Musikers, der sich vollständig vom Mainstream abgewandt und auf „Old New Ballads Blues“ für seine Neuinterpretationen auf die Wurzeln des Blues zurückgegriffen hat. Er gab ihnen damit eine neue Identität und Wirkungskraft, etwa Elmore James‘ „Done Somebody Wrong“, dem Moore seine typisch krachenden Gitarrenriffs verpasste. Oder „All Your Love“ von Otis Rush, dessen ursprüngliche Verspieltheit Moore in einen Blues-Boogie packte. Hinzu kommen Eigenkompositionen, darunter die Ballade „No Reason To Cry“, die der Nordire mit einem langen Solo veredelte. Beide LPs gibt es in grünem Vinyl. Musikalisch schreibt das Doppelalbum „Close As You Get“ den Vorgänger weiter. Gitarrenschwere und melancholische Bluessongs, die von den Schönheiten und Grausamkeiten des Lebens erzählen. Wenn Moore „Trouble At Home“ anstimmt, spürt man, dass er nicht nur einen Song geschrieben hat, sondern Erlösung vom Ärger sucht und diese auch gefunden hat. Dem folgt wie ein Befreiungsschlag der Rock’n’Roll-Hit „Thirty Days“, den Moore genau so locker spielt wie Chuck Berry. Das Studioalbum zeigt auf dem Frontcover Gary Moore in Großaufnahme, beide LPs gibt es in kristallklarem Vinyl, eine echte Rarität.
Auf „Live At The Bush Hall 2007“ finden sich sieben Live-Versionen von Songs der LP „Close As You Get“. Dies mag den ein oder anderen stören, bietet aber die Möglichkeit, Vergleiche zu ziehen. Sein Spiel ist fesselnd, das schwere „If The Devil Made Whiskey“ und soulige „Too Tired“ werden mit Solos bedacht, die passen. Im Zentrum das Herzstück „Gary’s Blues“, das die ganze Persönlichkeit, Kreativität und Originalität des Gitarristen zeigt. Dem schließt sich das ruhige “Don’t Belive A Word“ seines alten Kumpels Phil Lynott an. Nicht fehlen durfte 2007 sein Hit “Still Got The Blues“, der die Geschichte einer geheimnisvollen Frau erzählt und Moore, nach Jahren als Hardrock-Gitarrist, den Weg zum erfolgreichen Bluesmusiker ebnete. Am Ende des Live-Albums dann ein Geschenk. „Sundown“ von Son House, rhythmisch und kraftvoll auf einer Akustikgitarre gespielt. Auf dem Cover ist ein großer Ausschnitt der Gitarre von Gary Moore zu sehen, eine Gibson Les Paul, die nur er so atemberaubend spielen konnte. Als Extra gibt es das Live-Album auch auf einer beiliegenden CD.
„Bad For You Baby“ von 2008 rundet den Inhalt der Box aus der Treasures-Reihe ab, es ist das letzte Studioalbum des Gitarristen. Schnelle Nummern wie „Down The Line“ spielt Gary Moore mit eindringlichen Boogie- und Shuffle-Rhythmen, die er mit starken Riffs vorantreibt. Für seinen „Mojo Boogie“ legte er seine Les Paul zur Seite und griff zu einer Slide-Gitarre. Neben ruhigen Stücken wie „Holding On“ und dem melancholischen Longplayer „I Love You More Than You’ll Ever Know“ kehrt Gary Moore auf dem Album jedoch immer wieder zum Blues zurück. Das Frontcover des Doppelalbums zeigt sich leicht bläulich, ganz in Blau sind auch die beiden Vinyl-Scheiben. Die Box mit acht 180-Gramm-LPs und einer CD kostet 89,99 Euro. Dafür bekommt man einen Musiker präsentiert, der bis heute, trotz vieler Brüche und Zickzack-Linien, dem Blues immer wieder neue Impulse gegeben hat.
Wie ein letztes Puzzelteil fügt sich die von Gary Moore bei Provogue erschienene Doppel-LP „Live From London“ ein, ganz in Rot und mit umfangreichen Liner Notes des Rockjournalisten Henry Yates. In der Londoner Islington Academie schöpfte Moore mit Keyboarder Vic Martin, Peter Rees am Bass und Schlagzeuger Steve Dixon Anfang Dezember 2009 aus seinem umfangreichen Repertoire. Er ließ seine Les Paul heiß aufschreien, jammern, explodieren und sprühen. Zum energischen „Bad For You Baby“, zum bluesdurchzogenen Country-Stück „Down The Line“ und zum Klassiker „All Your Love“ spielt Moore Solos, die bis an die Schmerzgrenze gehen. Man spürt, an diesem Abend wollte der Blues-Gitarrist nicht enden. Ein starkes Jahr später starb Gary Moore im spanischen Estepona.